Im Rahmen der Austtellung „Dem Frieden ein Gesicht geben“, die gerade anlässlich des 375-jahrigen Jubiläums des westfälischen Friedens im Diöszesanmuseum läuft, gab es einen Vortrag zur Bedeutung der Gesandtenkutschen.
Eine wichtige Rolle beim Aufenthalt der diplomatischen Gesandten während der Friedensverhandlungen in Osnabrück hatten die Kutschen, mit denen sie in die Stadt einfuhren und sich dort auch bewegten. Kutschen waren ein zentrales Repräsentationsmittel, mit dem die Gesandten ihren gesellschaftlichen Stand zeigten. Und natürlich waren sie auch die Repräsentanten ihrer zumeist adeligen Dienstherren, von denen sie gesandt wurden. Da durfte man sich nicht lumpen lassen. Und stattete die Kutschen mit allem Prunk und Pomp und technischen Raffinessen aus, die diese Zeit zu bieten hatte.
Ganz entgegen gesetzt zum Mittelalter, in dem das Benutzen von Kutschen noch als unmännlich galt. Eine Tugend aus der Ritterzeit. Keiner, der etwas auf sich hielt, hätte sich in eine Kutsche gesetzt, sondern legte seine Wege auf dem Rücken eines Pferdes zurück. Kutschen waren eher für die Frauen gedacht. Nur für sehr repräsentative Anlässe wurden auch im Mittelalter Kutschen von Männern genutzt, wie Staatsempfänge, Hochzeiten oder Beerdigungen. Zur Zeit des westfälischen Friedens aber waren Kutschen schon als veritables Mittel etabliert, um seinem Status Ausdruck zu verleihen. Auch war es ungemein wichtig, mit welchem Aufwand die Gesandten samt ihrer Gefolgschaft in die Stadt einfuhren. Dies glich einer Inszenierung. In welcher Reihenfolge die Kutschen fuhren und auch die Anzahl an Begleitpersonal wie Diener, Trabanten und Trompeter. Besonders die Ausstattungen der Kutschen und die Bekleidung der gesamten Gesandtschaft war immens wichtig für einen repräsentativen Auftritt. Gesandte gingen grundsätzlich nicht zu Fuß. Selbst die kleinsten Wege wurden mit der Kutsche zurück gelegt. Was mit dem höheren Stand dieser Leute zusammen hing. Und natürlich auch mit den hygienischen Zuständen der Wege, von denen auch in Städten nur die wenigsten befestigt waren und die Anwohnenden sämtlichen Unrat einfach aus dem Fenster nach draußen warfen.
Das Beispiel eines Gemäldes des niederderländischen Malers Gerard ter Borch (dem Jüngeren) zeigt den niederländischen Gesandten Adriaen Pauw auf einer Fahrt nach Münster. Zu sehen ist die Kutsche mitsamt berittenem Gefolge sowie den Trabanten, die die Kutsche fußläufig begleiten. Auf der Kutsche sitzt zu allererst der Kutscher, auf dem Rückteil hinter der Karosserie steht ein Diener. Drei Personen reiten vorweg, die zum Gesandschaftsgefolge gehören. In der Kutsche sitzen Adriaen Pauw auf der vorderen Sitzbank, seine Frau, sowie die Enkelin auf der Rückbank. Die Sitzposition der Frau befindet sich in der Mitte zwischen den sich gegenüber sitzenden Fahrgästen der vorderen und der Rückbank, mit Blick zur Seite der Kutsche hinaus. Neben den vielen Arten der Sitzanordnungen historischer Reisekutschen war dies eine übliche Sitzposition für Frauen.
Diese Reisekutsche gehört zur Kategorie der Prachtkutschen. Mit der für diese Zeit typischen Trapezform der Karosserie und einem Baldachin-Dach aus Leder. Der Baldachin steht als Erfindung der Antike symbolisch für das Überkrönen kaiserlicher Häupter und schmückte bei den Friedensverhandlungen nicht nur die Unterkünfte wichtiger Gesandter, sondern auch deren Kutschen. Zum Verhüllen der Fensteröffnungen als Sichtschutz und gegen Witterung konnte von unterhalb des Baldachins eine Art Wachstuch wie ein Rollo herunter gerollt und zusätzlich mit Vorhängen überzogen werden. Diese sind auf dem Bild um die Eckpfosten des Dachaufbaus geschlungen. Besonderen Komfort der Kutsche bot die Federung der Karosserie, welche nicht auf das Verbindungsstück der Wagenachsen aufgesetzt, sondern an Lederriemen aufgehängt waren, die sowohl am vorderen Kutschbock als auch am hinteren Aufbau befestigt waren. Auch waren die Vorderräder kleiner als die Hinterräder, was die Wendigkeit der Kutsche erheblich verbesserte.
Außen sind die Karosserie und die mit Figuren geschnitzten Riemenhalter für die Federung vergoldet. Im Innenraum waren solche Kutschen oft mit rotem Samt und Seidendamast ausgekleidet, einem sehr kostbaren Stoff. Seide war zu dieser Zeit genau so wertvoll wie Gold. Polsterungen wurden auch mit Silberstickereien versehen, die mit echten Silberfäden gefertigt wurden. In der Ausstellung befinden sich einige „Fühl“-Proben, an denen man testen kann, wie sich Seidensamt anfühlt. Diese Stoffe werden heutzutage nicht mehr hergestellt, weil sie unbezahlbar sind.
Es spielte eine große Rolle, wieviele Pferde vor einer Kutsche angespannt waren. Das war standesgemäß hierarchisch geregelt. Es war ausschließlich Diplomaten souveräner Staaten gestattet, 6 Pferde vor ihre Kutschen zu spannen. So besuchten z.B. die königlich schwedischen Gesandten Johan Axelsson Oxenstierna und Johan Adler Salvius einen französischen Gesandten zur Unterredung und fuhren gleich mit drei 6-Spännern und allerhand Personal vor. So erwiesen sie dem Franzosen die gebührende protokollarische Ehre. Der niederländische Gesandte Adriaen Pauw hatte diese Berechtigung trotz seines hohen Standes nicht, bediente sich aber eines Trickes. Wenn man das Bild genau betrachtet, fällt auf, das 4 Pferde an die Kutsche angespannt sind, während die vordersten beiden Pferde mit dem Vorreiter an einer langen Leine vorweg laufen. So wird der optische Eindruck eines 6-Spänners erweckt.
Eine weitere Steigerung des Komforts waren die gläsernen Kutschen. Oder auch Fensterwagen genannt. Bei diesem Typ konnten Glasscheiben in die Fensteröffnungen der gefederten Karosserie eingesetzt oder eingehängt werden, um sicher vor Witterung und zum Teil auch Lärm zu sein. Zur Zeit des westfälischen Friedens war dies die neueste Entwicklung. Kutschen wurden von Manufakturen individuell auf Wunsch gefertigt.
TEXT Rüdiger Lange FOTOS Rüdiger Lange / Wikipedia