Kultur ist doch für alle da
Leander Averdiek aus Schledehausen: Darum ist die Osnabrücker KUKUK-Karte so wertvoll
Von Matthias Liedtke
Kultur sollte kein Luxus für einige Wenige sein, sondern ein „Lebensmittel“ für Alle: Das hat sich der vor zehn Jahren von Max Ciolek gegründete Verein „Kultur für Alle Osnabrück“ (Kaos) auf seine Fahnen geschrieben. Seit 2016 nutzt auch die Familie Averdiek aus Schledehausen fünf von inzwischen mehr als 5000 Kukuk-Karten.
Bis vor einigen Jahren waren es sogar sechs, aber der älteste Sohn Janning studiert inzwischen in Braunschweig. Sein 16-jähriger Bruder Leander ist vor Kurzem von der Waldorfschule Evinghausen auf das Gymnasium Ursulaschule in Osnabrück gewechselt. Das Kulturleben in der Stadt kennt er schon von Kindesbeinen an. Denn seine Familie hat als eine der ersten im Landkreis überhaupt über den Nachweis einer Wohngeldberechtigung einen Satz jener Karten erworben, die es jedem einzelnen Familienmitglied ermöglicht, an aktuell 108 Kulturorten in der Stadt und im Landkreis Veranstaltungen zu besuchen – nicht umsonst, sondern zu einem symbolischen Preis von einem Euro für Erwachsene und 50 Cent für Kinder.
Von der Bühne ins Publikum
Dass er einen kleinen Preis dafür zahle, gebe ihm ein gutes Gefühl, sagt Leander, der allerdings kein Problem damit hat, zuzugeben, dass er auf finanzielle Unterstützung angewiesen ist: „Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ich benachteiligt und nicht berechtigt bin, zum Beispiel ins Theater zu gehen“, bringt der frischgebackene Gymnasiast, der selbst Klavier spielt und singt, die durch Kukuk ermöglichte Selbstverständlichkeit einer Teilnahme am kulturellen Leben auf den Punkt.
Als Kinderdarsteller etwa in der Oper „Tosca“ oder im Musical „Chaplin“ war er auch schon aktiver Bestandteil des Kulturbetriebs. Das habe bei ihm auch das Interesse an anderen Stücken geweckt. Meist gemeinsam mit seiner Mutter ist er dann regelmäßig für Theaterbesuche nach Osnabrück gefahren. Heute geht das inzwischen auch alleine oder mit Mitschülern, die sich darüber freuen, dass er dabei sein kann.
Mit Glück sogar Top-Plätze
Für Kukuk-Karteninhaber halten die Veranstalter ein bestimmtes Kontingent bereit, dass nicht immer reservierbar und auch nicht immer verfügbar ist – etwa bei ausverkauften Premierenvorstellungen. Gerade im Theater Osnabrück hat es Leander aber schon oft erlebt, dass man sich dort flexibel zeigt. Beim Tanztheaterstück „Zeit“ konnte er mit seiner Familie sogar einmal in der ersten Reihe sitzen. Zuletzt hat er sich auf eigene Faust die Mozart-Oper „Titus“ und im Emma-Theater das Stück „Das wirkliche Leben“ angeschaut.
Aber auch ein Konzert in der Kleinen Freiheit oder ein Film in der Lagerhalle steht mitunter auf seiner Liste. Als verlässliche, tagesaktuell vorgefilterte und lückenlose Informationsquelle nutzt er wie viele andere auch den von Kaos-Büroleiter Thomas Schmitz sorgfältig gepflegten Veranstaltungskalender auf der Kukuk-Homepage.
Unbegrenzt selbst aussuchen
Auch Leanders jüngerer Bruder Phileas und seine Schwester Henriette, elf und neun Jahre alt, kommen inzwischen mit zu Familien- oder Kinderveranstaltungen zum Beispiel in der Lagerhalle. „Kultur genießen“ hat in der Familie Averdiek schließlich Tradition. Unter den Organisationen, die in der Bundesvereinigung Kulturelle Teilhabe zusammengeschlossen sind, ist der Osnabrücker Kaos-Verein nur einer von insgesamt vieren, die ihren Kunden eine freie Wahl bei Kulturveranstaltungen ermöglichen und sie nicht auf Angebote von Restplätzen warten lassen.
Berechtigt für Kukuk-Karten sind Osnabrück-Pass-Inhaber sowie Menschen und Familien aus der Stadt oder dem Landkreis, die einen Anspruch auf Wohngeld, Grundsicherung oder Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nachweisen können.
NOZ-Foto: Michael Gründel